Lohnuntergrenze: Regierung setzt Mindestlohn für Transit aus

Spediteure aus Osteuropa protestierten gegen die deutschen Mindestlohnregeln, auch die EU-Kommission war alarmiert: Nun setzt die Regierung den Mindestlohn für ausländische Lkw-Fahrer im reinen Transitverkehr durch Deutschland vorerst aus. Die Dokumentationspflicht bleibt in der Diskussion.

Im Streit um Mindestlohn für Transit-Lkw-Fahrer lenkt die Bundesregierung ein. Berlin setzt die Kontrolle des Mindestlohns für ausländische Lkw-Fahrer im reinen Transitverkehr durch Deutschland vorerst aus. Dies gelte bis zur Klärung europarechtlicher Fragen, sagte Arbeitsministerin Andrea Nahles nach einem Treffen mit ihrem polnischen Amtskollegen in Berlin. Nahles räumte ein, dass die Durchsetzung des seit 1. Januar geltenden gesetzlichen Mindestlohns zu Unruhe in Nachbarländern geführt hat. Ausländische Speditionen müssen nun keine Aufzeichnungen mehr erstellen. Nicht ausgesetzt werden die Mindestlohnregeln für Lkws, die in Deutschland be- und entladen werden.

Mindestlohn-Kritik aus Osteuropa und von EU

In Polen und anderen Nachbarländern war Kritik laut geworden, auch wegen der Vorgaben für Kontrollen und Dokumentationspflichten. Die polnische Regierungschefin Ewa Kopacz äußerte sich nun zufrieden. Aber sie betonte auch, dass man "diese Sache zweifellos lösen" müsse. Gegenüber polnischen Journalisten sagte sie am Rande der polnisch-französischen Regierungskonsultationen in Paris: "Die Lösung liegt bei der Europäischen Kommission."

Tschechischen Spediteuren geht die vorläufige Aussetzung des Mindestlohns dagegen nicht weit genug. Der Verband lehne es ab, dass der Mindestlohn bei Fahrten von und nach Deutschland gelten solle, sagte der Sprecher des Branchenverbands Cesmad Bohemia, Martin Felix, der Deutschen Presse-Agentur. Ein Staat dürfe sich nicht in die Regelung von Arbeitsverhältnissen in einem anderen Staat einmischen. Daher erwägt der Branchenverband weiter rechtliche Schritte.

Die EU-Kommission hatte bereits in der vergangenen Woche den Druck auf die Bundesregierung erhöht und angekündigt, die Beschwerden aus Deutschlands Nachbarländern ernsthaft zu prüfen. Die Bundesregierung hatte zunächst dennoch weiter auf eine Durchsetzung des Mindestlohns gepocht. Nun begrüßte Nahles, dass die EU-Kommission ein Verfahren zur Prüfung strittiger Rechtsfragen eingeleitet habe. Dies dürfte vor dem Sommer abgeschlossen sein. Deutschland halte die Regelungen für europarechtskonform.

Normenkontrollrat pocht auf weniger Bürokratie

Die Aussetzung befeuert die Debatte über den Mindestlohn im Inland. Auch bei der allgemeinen Frage nach dem bürokratischen Aufwand beim Mindestlohn stößt die Arbeitsministerin auf ablehnende Haltung. So hat nun der Nationale Normenkontrollrat (NKR) den Mehraufwand dadurch kritisiert. Dabei gehe es nicht nur um die mit der Prüfung durch die Zollverwaltung anfallenden Kosten von 80 Millionen Euro, sondern auch um die zusätzlichen Dokumentationspflichten für die Wirtschaft, sagte der NKR-Vorsitzende Johannes Ludewig der Zeitung "Bild". Er unterstütze daher Forderungen aus der Wirtschaft und die Absicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel, "die Dokumentationspflichten zeitnah zu überprüfen und diese auf das unabdingbar Notwendige zu begrenzen".

Auch der EU-Sonderberater für Bürokratieabbau, Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, sprach sich für Nachbesserungen aus. Die Dokumentationspflichten für Unternehmen gingen zu weit, sagte er der "Stuttgarter Zeitung".

Nahles: Viele Mindestlohn-Fragen bei Arbeitgebern

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) lehnt eine Aufweichung des Mindestlohns ab. Zwar räumte sie ein, dass es in einigen Branchen noch viele Fragen gebe. 12.000 Anrufer hätten sich im Januar bei der Hotline informiert, zwei Drittel davon Arbeitgeber. Sie werde mit Arbeitgebern und Gewerkschaften aus den Branchen reden, in denen offensichtlich viele Fragen auftreten. Sie werde aber die Entwicklung in aller Ruhe beobachten.

Denn drei Wochen nach Einführung sei eine angemessene Bewertung nicht möglich, sagte Nahles zuletzt in Berlin und wies dabei auch den Vorwurf zurück, die Regelungen brächten mehr Bürokratie. Die Aufzeichnungspflicht von Arbeitsstunden sei notwendig, um Missbrauch auszuschließen, sagte die Ministerin.

dpa
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