Koalitionsvertrag zum gesetzlichen Mindestlohn

Der Koalitionsvertrag gibt zu Mindestlohn, Leiharbeit und Teilzeit die Richtung vor. Die Auswirkungen hat der Bundesverband der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU) unter die Lupe genommen. Alexander R. Zumkeller, Präsident des BVAU, nennt Folgen eines Mindestlohns für die Praxis.

Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro, die Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, die branchenabdeckende Erweiterung des Entsendegesetzes – die (künftige) Koalition hat sich einiges eingebrockt. Politisches Gezänk hin oder her: Was erwarten Praktiker in diesen Punkten von der künftigen Bundesregierung?

Mindestlohn: Einheitliche Stundensätze statt Tariftreuegesetze

Zum Mindestlohn ist zu sagen, dass obgleich seiner ordnungspolitischen Verderbtheit er nur in Teilbranchen, und zudem lokal wohl recht beschränkt, Wirkung zeigen wird. Denn durch die Hintertür wurde Unternehmen längst eine Art Mindestlohn untergejubelt, nämlich in den sogenannten Tariftreuegesetzen der Länder, in denen mal 8,50 Euro, mal 8,62 Euro Mindestlohn als Untergrenze normiert wurden. Nebenbei: Die Frage bleibt, was es mit Tariftreue zu tun hat, wenn die gesetzlichen Stundensätze über denen von  existierenden Tarifverträge liegen.

Wichtig ist, gerade für überregional arbeitende Unternehmen, dass es sich um verlässliche, einheitliche Stundensätze handelt. Alles andere führt zu einem Administrationsaufwand, der schlicht unverhältnismäßig ist. Daher: Weg mit den Tariftreuegesetzen, die bei zu dem branchenabdeckenden Entsendegesetz und vermehrter Allgemeinverbindlichkeit keiner mehr braucht – europarechtswidrig sind diese Gesetze ohnedies.

Vorsicht bei Öffnungsklauseln

Soweit eine Öffnungsklausel für Tarifverträge "repräsentativer" Tarifpartner vorgesehen ist, muss auf Rechtssicherheit geachtet werden: Die künftige Koalition sollte nicht der Versuchung erliegen, alleine ihrer Klientel wegen darauf zu verfallen, gegebenenfalls verfassungswidrige Gesetze zu erlassen. Der Ausschluss "nicht repräsentativer" Tarifpartner weist leider den Weg genau dorthin. Hier wünscht sich der Praktiker Bedacht bei der Gesetzgebung statt Rechtsunsicherheit hinterher.

Mehr Outsourcing durch allgemeinverbindliche Tarifverträge?

Die vermehrten Allgemeinverbindlichkeitserklärungen mögen hilfreich sein, wenn und soweit der Wettbewerb verstärkt über Qualität, Know-how, Kerngeschäft wirken soll – und nicht über den Preis. Wenn der Staat in diese Richtung meint, eine Steuerungsfunktion ausüben zu müssen, hat dies zwar nichts mit Marktwirtschaft zu tun, mag aber zu billigen sein.

Das hat freilich Folgen: Fehlendes Know-how am Rande des Kerngeschäfts fordert gerade zum Outsourcing auf. Denn wettbewerbsfähig wird sein, wer bei gleichen Entgelten künftig sein Know-how "wie PS auf die Straße bringt". Ob die Allgemeinverbindlichkeit wirklich hilft (den Gewerkschaften bei der Mitgliedersuche – jedoch warum sollte jemand Mitglied werden, wenn Tarifverträge ohnehin gelten; den Beschäftigten, denen das Outsourcing in eine andere, gegebenenfalls geringer entlohnte Teilbranche oder gar eine Auslagerung ins Ausland droht) mag die Zukunft weisen.

Einen Ausweg, den sich Praktiker vorstellen können: Öffnungsklauseln für Teilbetriebe außerhalb der Branche – etwa bei Kantinen, die beispielsweise nicht unbedingt unter den Metalltarif fallen müssen, nur weil mit Metalltöpfen gekocht wird. Für diese Teilbetriebe könnten andere Branchentarifverträge, jeweils die speziellsten, allgemeinverbindlich sein.

Autor: Alexander R. Zumkeller ist Head of HR Policies, Rewards & Benefits bei der ABB AG und Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen e.V. (BvAU).