Bezeichnet das Amtsgericht einen Rechtsstreit als „Wohnungseigentumssache“, darf ein Rechtsanwalt allein hieraus nicht schließen, dass das zentrale WEG-Berufungsgericht für die Berufung zuständig ist.

Hintergrund

Eine WEG hatte die Mieter einer Wohnung darauf verklagt, die Nutzung von Flächen, die im Gemeinschaftseigentum stehen, zu unterlassen. Das AG Potsdam gab der WEG Recht. In dem Urteil hat das AG den Rechtsstreit als „Wohnungseigentumssache" bezeichnet.

Die im Prozess unterlegenen Mieter legten Berufung zum LG Frankfurt (Oder) ein. Dieses ist im dortigen Bezirk zentrales Berufungsgericht für wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten.

Das LG Frankfurt (Oder) wies die Mieter darauf hin, nicht zuständig zu sein, da es sich um eine allgemeine zivilrechtliche Streitigkeit handle. Die Mieter legten daraufhin nochmals Berufung ein, diesmal zum LG Potsdam. Da die Berufungsfrist schon abgelaufen war, beantragten die Mieter, ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das lehnte das LG Potsdam ab. Die Mieter zogen hiergegen vor den BGH.

Entscheidung

Auch vor dem BGH haben die Mieter keinen Erfolg. Sie haben die Berufungsfrist versäumt, weil nicht das zunächst angerufene LG Frankfurt (Oder), sondern das LG Potsdam zuständiges Berufungsgericht ist.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen das Versäumen der Berufungsfrist bekommen die Mieter nicht, da die Fristversäumnis nicht unverschuldet war. Die Fristversäumnis hat der Anwalt der Mieter verschuldet. Dieses Verschulden müssen sich die Mieter zurechnen lassen.

Aus der Bezeichnung in dem Urteil des AG als „Wohnungseigentumssache" allein konnte der Anwalt nicht schließen, dass das zentrale WEG-Berufungsgericht für das Rechtsmittel zuständig ist. Die besondere Zuständigkeit gilt nämlich nicht für jede Wohnungseigentumssache, sondern nur bei den in § 43 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Binnenstreitigkeiten der Wohnungseigentümer sowie gemäß § 43 Nr. 6 WEG für das Mahnverfahren.

Wegen der Beteiligung eines Dritten (hier: der Mieter) konnte allenfalls die auf Klagen eines Dritten gegen die Gemeinschaft bezogene Vorschrift des § 43 Nr. 5 WEG als einschlägig angesehen werden. Gerade in den dort genannten Verfahren richtet sich die Rechtsmittelzuständigkeit aber nach den allgemeinen Vorschriften und nicht nach der besonderen Zuständigkeit in Wohnungseigentumssachen. Wegen der unterschiedlichen Regelungen, muss ein Anwalt hier ganz besonders sorgfältig prüfen, welches Gericht zuständig ist.

Auch der Grundsatz der Meistbegünstigung hilft den Mietern nicht weiter. Danach kann ein an sich unzulässiges Rechtsmittel als zulässig anzusehen sein, wenn der Rechtsmittelführer wegen einer Unklarheit der angefochtenen Entscheidung unsicher ist, welches Rechtsmittel er bei welchem Gericht einlegen soll. An einer solchen durch einen Fehler des Gerichts verursachten Unklarheit fehlt es hier, weil allein die Bezeichnung als Wohnungseigentumssache keinen sicheren Rückschluss auf das zuständige Berufungsgericht erlaubt.

(BGH, Beschluss v. 14.7.2011, V ZB 67/11)

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Schlagworte zum Thema:  Wohnungseigentumsrecht, Berufung