Wird eine Anfechtungsklage den beklagten Wohnungseigentümern erst viele Monate nach der Eigentümerversammlung zugestellt, kann die einmonatige Klagefrist dennoch gewahrt sein. Verzögerungen bei Gericht gehen nicht zu Lasten des Klägers.

Hintergrund

In einer Eigentümerversammlung am 13.12.2008 wählte eine WEG mit über 100 Eigentümern zum 1.1.2009 einen neuen Verwalter. Ein Eigentümer reichte am 24.12.2008 bei Gericht Anfechtungsklage gegen die Verwalterbestellung ein. In der Klageschrift benannte er den bis Ende 2008 amtierenden Verwalter und bat das Gericht dann am 6.1.2009, die Klage dem neuen Verwalter zuzustellen.

Eine Anfrage des Gerichts vom 16.1.2009, ob die WEG einen Ersatzzustellungsvertreter bestellt habe, verneinte der Kläger wahrheitsgemäß. Es sei aber der neue Verwalter zustellungsbevollmächtigt.

Das Amtsgericht teilte daraufhin mit, eine Zustellung an den neuen Verwalter komme wegen Interessenkollision nicht in Frage, denn dessen Bestellung sei ja angefochten. Das Gericht forderte den Kläger auf, zusätzliche Abschriften für die Zustellung an alle anderen Eigentümer einzureichen. Dem kam der Kläger nach.

Einem Aktenvermerk des Gerichts zufolge sollte jedoch zunächst kein Termin anberaumt werden, da einige Eigentümer im Ausland lebten und für diese erst Zustellungsvertreter bzw. inländische Zustellungsadressen benannt werden müssten. Auch solle zunächst abgewartet werden, ob sich das Verfahren durch eine weitere Eigentümerversammlung möglicherweise erledigte.

Im Mai 2009 bestimmte das Gericht schließlich einen Verhandlungstermin und stellte die Anfechtungsklage den anderen Eigentümern zu. Den letzten Eigentümer erreichte die Zustellung im August 2009.

Das Amtsgericht gab der Anfechtungsklage statt. Das Landgericht wies die Klage ab, da die einmonatige Klagefrist nicht eingehalten sei. Der anfechtende Eigentümer habe die Zustellung durch unvollständige Angaben verzögert. Er habe erkennen müssen, dass eine Zustellung an den neuen Verwalter nicht möglich sei und dem Gericht dies noch innerhalb der Klagefrist mitteilen müssen.

Über die Frage, ob die Klagefrist eingehalten war, obwohl die Klage den anderen Eigentümern erst viele Monate nach der Versammlung zugestellt worden war, musste der BGH entscheiden.

Entscheidung

Die Anfechtungsfrist ist eingehalten. Sie wurde dadurch gewahrt, dass der anfechtende Eigentümer die Klage innerhalb der Monatsfrist eingereicht hat.

Zwar ist die Klage den letzten Wohnungseigentümern erst Monate nach der Eigentümerversammlung zugestellt worden. Dies ist aber unschädlich, weil die Zustellung „demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt ist. Dieser Begriff ist ohne eine absolute zeitliche Grenze wertend auszulegen. Der Zustellungsbetreiber muss alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan haben. Verzögerungen im gerichtlichen Geschäftsbetrieb sollen nicht zu seinen Lasten gehen. Anderseits muss die Rückwirkung dem Empfänger zumutbar sein. Verzögert die zustellende Partei selbst das Verfahren in vorwerfbarer Weise, kann dies der Rückwirkung entgegenstehen.

Die verzögerte Zustellung ist nicht dem Kläger anzulasten. Innerhalb der Klagefrist hat er den neuen Verwalter benannt. Einen Ersatzzustellungsvertreter konnte er nicht angeben, weil keiner bestellt war. Daraus, dass die Verwalterbestellung angefochten war und deshalb eine Zustellung an den neuen Verwalter möglicherweise ausgeschlossen sein könnte, musste das Gericht rechtliche Schlüsse ziehen, nicht der anfechtende Eigentümer.

Es ist schon umstritten, ob der Verwalter in einem Verfahren, in dem seine Wahl angefochten wird, als Zustellungsvertreter gemäß § 45 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 2 WEG ohne weiteres oder nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine bestehende Interessenkollision ausgeschlossen ist. Sieht das Gericht den Verwalter als ausgeschlossen an, kann es seinerseits von Amts wegen einen Ersatzzustellungsvertreter bestellen. Daher verzögerte der Kläger den Rechtsstreit nicht vorwerfbar, wenn er abwartete, welchen Rechtsstandpunkt das Gericht einnimmt. Es war Sache des Gerichts, zu entscheiden, wie es hinsichtlich der Zustellung weiter verfährt.

Die weitere Verzögerung der Zustellung dadurch, dass das Gericht die Klage aus prozessökonomischen Gründen eine weitere Zeit lang nicht zugestellt hat, obwohl alle Voraussetzungen hierfür vorgelegen haben, geht auch nicht zu Lasten des Klägers.

Dieser Wertung stehen schutzwürdige Interessen der anderen Wohnungseigentümer schon deshalb nicht entgegen, weil diese die eigentliche Ursache für das von ihnen beklagte „Zustellungschaos" selbst gesetzt haben, indem sie entgegen der gesetzlichen Vorgabe des § 45 Abs. 2 Satz 1 WEG keinen Ersatzzustellungsvertreter bestellten.

(BGH, Urteil v. 11.2.2011, V ZR 136/10)

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Schlagworte zum Thema:  Anfechtung, Wohnungseigentumsrecht