BGH: Verstoß gegen Konkurrenzschutz ist Mietmangel

Die Verletzung der in einem Gewerberaummietvertrag vereinbarten Konkurrenzschutzklausel durch den Vermieter stellt einen Mangel der Mietsache dar, der zur Minderung der Miete führen kann.

Hintergrund

Der Mieter einer Arztpraxis macht gegen den Vermieter Ansprüche wegen Verletzung einer mietvertraglich vereinbarten Konkurrenzschutzklausel geltend.

Laut Mietvertrag vom 26.4.2002 wurden die Räume zum Betrieb einer Arztpraxis vermietet. In § 9 des Mietvertrages heißt es, dass der Vermieter für die Fachrichtung Orthopädie Konkurrenzschutz gewährt und eine weitere Vermietung an einen Arzt derselben Fachdisziplin nur mit Einverständnis des Mieters zulässig sein soll.

Im Sommer 2003 schloss der Vermieter im selben Objekt einen weiteren Mietvertrag über eine Arztpraxis (im Folgenden: Gemeinschaftspraxis) ab. Der Tätigkeitsbereich der Gemeinschaftspraxis überschneidet sich teilweise mit dem der bereits bestehenden Praxis.

Der Mieter der Praxis verlangt u. a. die Feststellung, dass die Miete wegen der bestehenden Konkurrenzsituation um 50 Prozent gemindert ist sowie Rückzahlung der infolge der Minderung überzahlten Miete.

Entscheidung

Der BGH gibt dem Mieter grundsätzlich Recht. Die Gemeinschaftspraxis ist in Bereichen tätig, für die der Vermieter dem Mieter Konkurrenzschutz gewährt hat. Diese vertragswidrige Konkurrenzsituation stellt einen Mangel der Mietsache dar, der zur Minderung führt.

Ein Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich vereinbarten. Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dazu gehören auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen. Um eine Ausuferung des Fehlerbegriffs zu vermeiden, führen solche außerhalb der Mietsache selbst liegenden Umstände allerdings nur dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen.

Maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob eine unmittelbare Beeinträchtigung der Mietsache vorliegt, ist danach in erster Linie der von den Parteien vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergibt sich deren geschuldeter Zustand.

BGH entscheidet strittige Frage

Ob eine Verletzung des Konkurrenzschutzes, sei er vertragsimmanent oder vertraglich vereinbart, einen Mangel der Mietsache darstellt, ist höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden. Der BGH entscheidet diese Frage nun in dem Sinne, dass eine Verletzung der Konkurrenzschutzpflicht zu einem Mangel der Mietsache führt.

Sowohl die Verletzung des sogenannten vertragsimmanenten als auch die des ausdrücklich vereinbarten Konkurrenzschutzes stellen Störungen dar, die außerhalb der Mietsache liegen und die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen können.

Bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts gehört es auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen (sog. vertragsimmanenter Konkurrenzschutz). Die Verpflichtung des Vermieters zum Schutz des Mieters vor Konkurrenz auch bei Fehlen einer vertraglichen Regelung beruht auf der Erwägung, dass es zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört, dass der Vermieter den Mieter in dem vertraglich vereinbarten Gebrauch zum Betrieb des vereinbarten Geschäfts bzw. Gewerbes nicht behindert. Dabei ist der Vermieter allerdings nicht gehalten, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des einzelnen Falls abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist.

Zur Begründung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes für eine Arztpraxis hat der BGH in einer älteren Entscheidung auf die Bedeutung des Umfelds für den Ertrag einer Arztpraxis abgestellt und ausgeführt, dass insbesondere dann, wenn eine Konkurrenz bei Abschluss des Mietvertrags im Haus oder in der Nachbarschaft noch nicht bestanden habe, die Annahme nahe liege, dass der bereits niedergelassene Arzt durch die Eröffnung einer Praxis im selben Hause erheblich beeinträchtigt werde. Deshalb gehöre es zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache, dass dem ersten Mieter auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung der Schutz vor Konkurrenz gewährt werde. In diesem vertragsgemäß geschuldeten Gebrauch wird der Mieter durch die Verletzung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes unmittelbar beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung stellt sich für jeden Mieter, der die Sache zu dem gleichen Zweck benutzen will, als Mangel dar.

Für einen vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz kann nichts anderes gelten. Durch die ausdrückliche Vereinbarung der Verpflichtung wird der geschuldete vertragsgemäße Gebrauch dahin konkretisiert, dass dem Mieter der von bestimmter Konkurrenz ungestörte Gebrauch der Mieträume eingeräumt wird. In diesem ausdrücklich vereinbarten vertragsgemäßen Gebrauch wird der Mieter durch die vertragswidrige Konkurrenz unmittelbar beeinträchtigt.

Neben dem Vorliegen eines Mangels setzt die Minderung der Miete voraus, dass dadurch der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Anspruch auf Feststellung der Minderung der Miete und der Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Miete begründet sind, hängt dann davon ab, in welchem Umfang das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung durch das Bestehen der Konkurrenzsituation gestört ist. Hierzu sind im vorliegenden Fall noch tatsächliche Feststellungen erforderlich. Deshalb hat der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

(BGH, Urteil v. 10.10.2012, XII ZR 117/10)

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