Wohnungsunternehmen: Klima-Modernisierung bremst Neubau

Jedes vierte Wohnungsunternehmen legt den Neubau komplett auf Eis, mehr als jedes zweite baut weniger, knapp drei Viertel aller Projekte stehen auf der Kippe, wie eine Umfrage unter 67 Bestandshaltern zeigt – Grund ist die Pflicht zur klimaneutralen Modernisierung in einem schwierigen Umfeld.

"Der Neubau wird unter die Räder kommen", resümiert Peter Wallner, geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Connekt aus Essen nach einer Umfrage unter 67 Wohnungsunternehmen, darunter vor allem sozial orientierte Vermieter (insgesamt 85 Prozent) – bestehend aus kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsbaugenossenschaften – und nur acht Prozent kapitalmarktorientierte Firmen.

Bei den aktuellen Neubauprojekten werden demnach bei jedem dritten (30 Prozent) Bestandshalter noch nicht begonnene Vorhaben gestoppt, bei 40 Prozent wird nur noch ein Teil der aktuellen Projektpipeline realisiert. Im Hinblick auf die kommenden fünf Jahre gab jedes vierte Unternehmen an, dass der Neubau von Wohnungen auf Eis gelegt wird. Rund die Hälfte (55 Prozent) der Umfrageteilnehmer will deutlich weniger bauen.

"Jedes zweite Unternehmen führt das auf die Fokussierung auf den klimaneutralen Bestandsumbau zurück", so Wallner. "Beschränkte finanzielle Ressourcen und Personalkapazitäten lassen offenbar nichts anderes zu."

Der Wohnungswirtschaft fehlt die Klimastrategie

Die Umfrage zeigt auch, dass die Wohnungswirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 sowieso auf ein höchst anspruchsvolles Umfeld trifft. Als wesentliche Belastungsfaktoren wurden vor allem die Zinsentwicklung (81 Prozent), die gestiegenen Baukosten (79 Prozent), die unsichere Förderkulisse (58 Prozent) und die Repriorisierung aufgrund des Klimapfades (43 Prozent) genannt.

Fast alle (92 Prozent) der von Connekt befragten Wohnungsunternehmen arbeiten am politischen und gesellschaftlichen Ziel "Klimaneutralität" und an einer Strategie. Eine abgeschlossene Klimastrategie hat aber nach eigenen Angaben nur eine Minderheit (15 Prozent) der Unternehmen. Eine systematische Bestandsanalyse liegt allerdings laut Umfrage in vielen Fällen vor.

Bestand und Neubau: Investitionen nicht zu stemmen

Das Problem ist: Die ausgewiesenen jährlichen Investitionsbedarfe übersteigen das Investitionsvolumen (Bestandsentwicklung, Zukäufe, Neubau) der vergangenen Jahre teils erheblich. Die Mehrheit (87 Prozent) der Unternehmen geht davon aus, dass sie die bisherige Sanierungsstrategie ändern müssen.

Ein Wohnungsunternehmen teilte mit, dass es mit der Klimaneutralität "finanziell, personell und im Hinblick auf Know-how sehr schnell überfordert sein wird". Auch die geringen Spielräume bei den Mieten erschweren nach Aussagen der Unternehmen die Finanzierbarkeit des klimagerechten Umbaus.

Neben den regulatorischen und ökonomischen Herausforderungen bereiten auch der Fachkräftemangel und der hohe Innovationsdruck den befragten Unternehmen Sorgen. "Nennenswerte Teile des Bestandes sind nicht zu Null- oder sogar Plusenergiegebäuden zu ertüchtigen, jedenfalls nicht zu Kosten, die Sinn machen", so Connekt-Chef Wallner weiter. Er sieht die Politik in der Europäischen Union (EU) und in Deutschland in der Pflicht, mehr Technikoffenheit statt ständig neuer kurzfristiger Restriktionen zu schaffen, damit der Gebäudesektor mit der Komplexität der Jahrhundertaufgabe Klimaneutralität klar komme.

Connekt-Umfrage "Investitionsstrategie auf dem Weg zum klimaneutralen Wohnungsunternehmen"


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Baukosten