BGH: Wegfall von Eigenbedarf muss gut begründet werden

Kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs und setzt diesen dann tatsächlich nicht um, muss er besonders genau begründen, warum der zunächst bestehende Bedarf nachträglich entfallen sein soll. Tut er dies nicht, ist davon auszugehen, dass der Eigenbedarf nur vorgetäuscht war. Dann kann der Mieter Schadensersatz verlangen.

Hintergrund: Eigenbedarfsperson zieht nicht ein

Der ehemalige Mieter einer Wohnung im dritten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses verlangt vom Vermieter Schadensersatz wegen unberechtigter Kündigung des Mietverhältnisses.

Der Vermieter hatte das Mietverhältnis ordentlich gekündigt. Zur Begründung hatte er ausgeführt, die Wohnung werde für den neuen Hausmeister benötigt. Da der Mieter zunächst nicht auszog, erhob der Vermieter Räumungsklage. Im Räumungsprozess schlossen die Parteien im Juni 2011 einen Vergleich. Darin verpflichtete sich der Mieter, die Wohnung bis spätestens Ende 2011 zu räumen. Nachdem der Mieter Ende Oktober 2011 aus der Wohnung ausgezogen war, zog nicht der angekündigte neue Hausmeister, sondern eine Familie in die Wohnung ein.

Der Mieter verlangt nun vom Vermieter Ersatz der Umzugskosten, der Mehrkosten, die ihm durch die höhere Miete für die neue Wohnung und dadurch entstehen, dass er den Weg zur Arbeit nicht mehr wie bisher zu Fuß zurücklegen könne, sowie Ersatz der Prozesskosten des Räumungsrechtsstreits - insgesamt knapp 26.000 Euro.

Das Landgericht hat die Schadensersatzklage abgewiesen. Durch den Räumungsvergleich habe der Mieter auf eventuelle Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs verzichtet. Der BGH (Urteil v. 10.6.2015, VIII ZR 99/14) hob das Urteil auf, weil dem Vergleich nicht zu entnehmen war, dass der Mieter auf eventuelle Schadensersatzansprüche wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs verzichtet. Sofern ein stillschweigender Verzicht in Frage komme, müssten bedeutsame Umstände vorliegen, die auf einen Verzichtswillen schließen lassen. Solche Umstände könnten im Einzelfall etwa darin liegen, dass sich der Vermieter zu einer substanziellen Gegenleistung wie die Zahlung einer namhaften Abstandssumme oder einem Verzicht auf Schönheitsreparaturen verpflichtet. Dies war hier nicht der Fall.

Nach der Zurückverweisung durch den BGH wies das Landgericht die Schadensersatzklage erneut ab. Anhand von Zeugenaussagen war das Gericht davon überzeugt, dass der behauptete Eigenbedarf tatsächlich bestanden hat. Der Vermieter habe plausibel dargelegt, dass ihn der neue Hausmeister erst im November 2011 darüber informiert habe, unter anderem wegen Kniebeschwerden nicht in die Wohnung einziehen zu können.

Entscheidung: Vermieter muss Wegfall von Eigenbedarf gut begründen

Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts erneut auf und verweist den Rechtsstreit wieder dorthin zurück.

Der BGH betont, dass die Gerichte in Fällen, in denen ein Vermieter seinen zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf an der Wohnung nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, den Prozessstoff und das Ergebnis der Beweisaufnahme besonders sorgfältig würdigen müssen.

Durch eine schuldhafte unberechtigte Kündigung - insbesondere beim Vortäuschen eines in Wahrheit nicht bestehenden Eigenbedarfs - kann sich ein Vermieter schadensersatzpflichtig machen, wenn der Mieter daraufhin auszieht und hierdurch Vermögenseinbußen erleidet.

Wenn der Vermieter den zur Grundlage der Kündigung gemachten Bedarf nach dem Auszug des Mieters nicht realisiert, trifft ihn eine besondere („sekundäre“) Darlegungslast zum nachträglichen Wegfall des Bedarfs. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht um, liegt nämlich der Verdacht nahe, dass der Bedarf nur vorgeschoben gewesen ist. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substanziiert und plausibel darzulegen, warum der mit der Kündigung vorgebrachte Bedarf nachträglich entfallen sein soll.

Diesen strengen Anforderungen ist der Vermieter hier nicht gerecht geworden. Bei einer tatsächlich bestehenden Bedarfslage wäre zu erwarten gewesen, dass er mit dem neuen Hausmeister jedenfalls nach Abschluss des Räumungsvergleichs im Juni 2011 alsbald einen Mietvertrag abschließen oder sich zumindest über den voraussichtlichen Mietbeginn und die genaue Miethöhe verständigen würde. Hierzu hat der Vermieter aber nichts vorgebracht. Die Darstellung, der Hausmeister habe sich erst im November 2011 überlegt, wegen Kniebeschwerden nicht einziehen zu wollen, erscheint nicht plausibel. Wenn der Vermieter seiner besonderen Darlegungslast in derartigen Fällen nicht nachkommt, ist die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung - hier das Vortäuschen eines nicht bestehenden Bedarfs an der Wohnung - als unstreitig zu behandeln.

Das Landgericht muss nun erneut in die Beweisaufnahme eintreten und weitere Zeugen vernehmen.

(BGH, Urteil v. 29.3.2017, VIII ZR 44/16)

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