BGH: Keine Individualklage bei Vergemeinschaftung

Haben die Wohnungseigentümer beschlossen, Ansprüche wegen der Störung des Gemeinschaftseigentums gemeinschaftlich durchzusetzen, können einzelne Eigentümer ihre Rechte insoweit nicht mehr individuell verfolgen.

Hintergrund

In einer WEG, in der in einer Wohnung gewerbliche Prostitution ausgeübt wird, hatten die Eigentümer mehrheitlich folgenden Beschluss gefasst:

"Die Wohnungseigentümer beschließen, dass die ihnen aus ihrem Eigentum zustehenden Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche wegen der gewerbsmäßigen Prostitution im Objekt (…), gemeinschaftlich durch den Verband (…) geltend gemacht werden sollen. Die Verwaltung wird beauftragt, einen Rechtsanwalt mit der gerichtlichen Durchsetzung der Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche zu den üblichen Rechtsanwaltsgebühren zu beauftragen."

Nun verlangt ein einzelner Eigentümer, dass es der Eigentümer der betreffenden Wohnung unterlassen muss, seine Wohnung zur Ausübung der Prostitution zu nutzen, und sie Dritten nicht für solche Zwecke überlassen darf. Er stützt seine Klage auf Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums durch den bordellartigen Betrieb, namentlich Lärmbelästigung und Verschmutzung von Treppenhaus und Fluren. Zuvor war die Eigentümergemeinschaft nicht gegen den betreffenden Eigentümer vorgegangen.

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob der einzelne Eigentümer angesichts des Mehrheitsbeschlusses seine Unterlassungsansprüche überhaupt noch individuell durchsetzen kann.

Entscheidung

Die Klage des Eigentümers ist unzulässig. Aufgrund des gefassten Beschlusses ist allein die Eigentümergemeinschaft dafür zuständig, die Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

Wird die Substanz oder die Nutzung des Gemeinschaftseigentums beeinträchtigt, stehen darauf bezogene Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im Grundsatz den einzelnen Wohnungseigentümern zu und können durch diese vor Gericht geltend gemacht werden. Dennoch sind solche Ansprüche gemeinschaftsbezogen. Deshalb können die Wohnungseigentümer beschließen, dass die Ansprüche gemeinschaftlich geltend gemacht werden sollen. Hierdurch wird eine alleinige Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet, die die einzelnen Wohnungseigentümer davon ausschließt, ihre Ansprüche individuell gerichtlich geltend zu machen.

Ein entscheidender Gesichtspunkt ist insoweit, dass die Ausübungsbefugnis des Verbandes dem Willen der Mehrheit entspricht. Unterlassungsansprüche können auf unterschiedliche Weise durchgesetzt werden, etwa indem – als milderes Mittel – nur die Einhaltung bestimmter Auflagen verlangt wird. Dem Verband obliegt es von der Beschlussfassung an, die mehrheitlich gewollte Lösung durchzusetzen. Dies schützt auch den Schuldner davor, mehrfach und möglicherweise mit unterschiedlicher Zielsetzung in Anspruch genommen zu werden. Wenn die Eigentümergemeinschaft den gefassten Beschluss nicht umsetzt, kann ein einzelner Wohnungseigentümer im Innenverhältnis verlangen, dass sie Klage einreicht. Eine eigene Klage kann er nur erheben, wenn die Störung sein Sondereigentum unmittelbar beeinträchtigt.

Danach hat der Beschluss die alleinige Zuständigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft begründet. Die Klage wird nur auf Störungen des Gemeinschaftseigentums gestützt, während das Sondereigentum des klagenden Eigentümers durch negative Auswirkungen auf den Verkehrswert und die Vermietbarkeit nur indirekt betroffen wird.

Da auch nicht festgestellt wurde, dass die Gemeinschaft die Verfolgung der Ansprüche rechtsmissbräuchlich verzögert hat, ist die Klage unzulässig. Somit muss nicht in der Sache selbst verhandelt werden. Ob die Wohnungseigentümergemeinschaft die Unterlassung der Prostitution verlangen kann, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

(BGH, Urteil v. 5.12.2014, V ZR 5/14)

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PM des BGH v. 5.12.2014